SSI-Heft 2, Juni 1991 Startseite SSI

Auf der Autobahn in die Sächsische Schweiz ?

Endlich gerät die Verkehrswelt in Bewegung -"freie Fahrt für freie Bürger" endlich wird auch die Eisenbahn so teuer, daß das Autofahren im Geldbeutel nicht mehr wehtut. Während die Eisenbahn ihre Schienen schön selber in Schuß halten muß, tut dies ja für die Autofahrer Vater Staat. Und der reagiert nicht nur, sondern betoniert auch schöne neue Pisten in die Landschaft. Endlich kann nun auch ein Projekt zur Realität werden, das in der Vergangenheit überhaupt keine Chance gehabt hat, die Autobahn DresdenPrag. Herrlich zügig wird man dann von Dresden über Pirna in die Sächsische Schweiz fahren können, direkt bis an die Einstiege der Kletterrouten im Bielatal. Auch die wenigen Verrückten ohne eigenes Auto werden als Tramper dann gut vorankommen - ich denke da an die vielen Transitlaster mit ihrem Platzangebot. Große Brückenbauten werden in der Landschaft von einem neuen Zeitalter künden, in dem nichts mehr unmöglich ist.

Oder sollten da doch einige Kleinigkeiten übersehen worden sein? Möglicherweise sind in den ökologischen Gutachten aus grauer Vorzeit (1972/74) doch nicht alle Aspekte berücksichtigt worden. Gab es nicht vielleicht auch hier die bewährten sozialistischen Hellseher, die in einer Chefetage weiter oben schon immer die Ergebnisse derartiger Studien vorhersahen und zwecks Verringerung des Arbeitsaufwandes ihre weisen Voraussagungen in Form eines fertigen gewünschten Endergebnisses nach unten durchstellten? In neuerer Zeit wurden dann gar keine weiteren Untersuchungen durchgeführt.

Nun ein paar Ausführungen zum Projekt, so wie es im April 1990 vorlag. Etwa in Höhe der heutigen Autobahntankstelle Wilsdruff soll die Autobahn beginnen. Am Südrand von Dresden verläuft sie immer auf den Höhenzügen bis Heidenau und weiter bis Pirna Ab hier soll sie durch den Naturraum führen, der uns besonders interessiert, das (noch) LSG "Sächsische Schweiz" (siehe Kartenskizze). Von der Anschlußstelle Pirna sind es etwa 20km bis zur Grenzübergangsstelle auf derGrenzplatte unweit des Bielatales. Zunächst wird südlich von Pirna-Zehista das Seidewitztal überquert (Großbrücke, 15 8 m lang, 17 m hoch). An Dohma geht es vorbei bis zur Anschlußstelle Berggießhübel nahe Cotta.

In einer großen Kurve verläuft die Trasse unmittelbar südlich unter dem Cottaer Spitzberg entlang, anschließend wird das Gottleubatal dicht oberhalb des ehemaligen Bahnhofes Langenhennersdorf gequert (Großbrücke, 435 m lang, 60 m hoch). Ab hier verläuft dann die geplante Strecke größtenteils durch heute noch ruhige ausgedehnte Waldgebiete nahe Diebsgrund, Glasergrund und Bielatal bis zur Landesgrenze. Genauere Unterlagen über den weiteren Verlauf der Autobahn auf tschechischer Seite waren nicht zu bekommen, allerdings läßt die Geländegestalt kaum mehrere Varianten offen. Die geschlosene Felswand von Hellendorf über Rajec/Raitza, Tisa/Tyssa bis Sne'znik/ Schneeberghatnureine größere Lücke östlich von Tyssa an der "Turisticka chata". Aber auch dort dürften Erdund Felsarbeiten in großem Umfang anstehen.

Zweifellos würde die Dresdner Innenstadt durch die Autobahn die dringend notwendige Entlastung finden, ebenso die B 172 zwischen Dresden und Pirna. Andemseits zieht aber eine derartige Verkehrsader eine Menge neuen Verkehrs geradezu magisch an. Folgende bisherige Grenzübergänge würden gemäß Projektstudie erhebliche Anteile ihres Verkehrsaufkommens an die Autobahn abgeben:

Eine derartige Verkehrsflut bringt natürlich ungeheure Belastungen für Mensch und Natur mit sich. In einem Bereich von 2 km beiderseits der Autobahntrasse wird eine deutliche Belästigung durch Verkehrslärm eintreten. Die meisten Kletterfelsen des Bielatales liegen in dieser Zone. Wer schon mal den "schönsten Vierer Norddeutschlands ", den Westgrat am "Großen Kurfürsten" im Okertal (Harz) geklettert ist, hat vielleicht eine Ahnung davon bekommen, daß Natur und Autoverkehr ein gräßlicher Widerspruch sein können. Dabei verläuft im Okertal ja nur eine dicht befahrene Landstraße und keine Autobahn. Ebenfalls im 2-km Lärmband läge dann das Totalreservat in den Fichtenwänden, das einstmals als Ruhezone für die Tierwelt eingerichtet wurde.

Die umliegenden Wälder würden pro Jahr einige tausend Tonnen Schadstoffe zusätzlich zu schlucken haben, obwohl sie schon heute schwerkrank sind. Je Kilometer Autobahn wären dies etwa:

Die Tatsache, daß der Wald in der beschriebenen Gegend schwerstgeschädigt ist, darfkein Argument für den Autobahnbau werden, zur Betonierung existiert immerhin noch die Alternative des Wiederaufforstens. Die Krankheit des Waldes darf kein Argument für sein Todesurteil sein.

Am Flächennaturdenkmal Cottaer Spitzberg kann nach dem Autobahnbau von harmonischen Landschaftsbeziehungen wohl auch keine Rede mehr sein. Zu der Trassenführung auf den Höhen am Südrand von Dresden wurde von namhaften Architekten eine Reihe gewichtiger Einwände angebracht (Workshop der JürgenPonto-Stiftung, Dresden 1990). Nicht zuletzt sollte auch bedacht werden, welche Folgen der Baufahrzeugverkehr und Baumaterialtransport für die Gegend hat.

Das ganze Für und Wider läßt natürlich den Gedanken an mögliche Alternativen wachsen. In den vergangenen Monaten wurden mehrere Ausweichvorschläge gemacht. Von Umweltgruppen wurde eine teilweise Verlegung der Trasse in westlicher Richtung vorgeschlagen, von Friedrichswalde-Ottendorf westlich an Berggießhübel vorbei, danach das Gottleubatal querend östlich an Bad Gottleuba vorbei und dann im wesentlichen der heutigen Landstraße folgend zum Grenzübergang Bahratal. Nachteilig ist an diesem Vorschlag allerdings, daß die Schonung der Sächsischen Schweiz zu Lasten des LSG "Osterzgebirge" geht.

Die ebenfalls ins Gespräch gekommene Untertunnelung der Sächsisch Böhmischen Schweiz etwa zwischen Raum und Schneeberg dürfte angesichts leerer Kassen in allen Ebenen ein frommer Wunschtraum bleiben. Für den Rest der Trasse bleiben ohnehin die dargelegten Einwande bestehen. Wie soll es aber nun weitergehen? Die sächsische Landesregierung beginnt offenbar die Problematik zu erkennen. Seit dem Besuch des sächsischen Ministerpräsidenten Prof. Biedenkopf in Prag können wir einige Hoffnung haben, daß das dargelegte Projekt nicht zur Ausführung kommt. Ein definitives "Aus" ist aber noch nicht gekommen! Und welche Alternativen soll es geben? Hier ist eine klare Verkehrskonzeption gefragt.



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