Kleinhennersdorf
Auf die Gemeinden in der Sächsischen Schweiz wird nach Verabschiedung des neuen Sächsischen Naturschutzgesetzes eine noch höhere Verantwortung zukommen, sind doch ihre Entwicklung- und Bebauungsvorhaben von großer Bedeutung für das Landschaftsbild des Gebirges.
Etliche Gemeinden haben bereits richtungsweisende durchdachte Konzepte für die Entwicklung eines sanften Tourismus, für die Erhaltung traditioneller Ortsbilder und die behutsame Einpassung neuer Bauvorhaben erstellt.
Wir möchten im folgenden einmal einer kleineren Gemeinde, nämlich Kleinhennersdorf, die Gelegenheit geben, von sich, ihrer Entwicklung, ihren Ideen und ihren Problemen zu berichten.
Kleinhennersdorf -Ein lieblicher Ort in der Sächsischen Schweiz
Ein kleines Dorf und seine Landschaft im Licht und Schatten unserer Zeit
1439 erstmals urkundlich erwähnt, von Kleinbauern, Steinbrechern und Kleinstgewerbetreibenden entwickelt (viele mußten auch "auspendeln", um Arbeit zu finden), erlebte Kleinhennersdorf als "Sommerfrische" rege Zeiten. Sport-und Naturbegeisterte fanden hier Urlaubs- und Wochenendbleiben. Albert Kunze, Pionier der freien Wandkletterei ("Essenkunze"), war hier zu Hause.
Zu realsozialistischen Zeiten wurde Kleinhennersdorf 14 Jahre einer Nachbargemeinde angegliedert, durfte einige wenige Typenhäuser bauen und trotzdem verloren die Einwohner und Stammgäste nicht den Mut. Manches konnte selbst gebaut werden. Das Dorf wurde noch vor der Wende verkabelt, so daß keine Antennen dem Wald zu konkurrieren brauchten. Die Identität mit Dorf und Landschaft blieb. So nahmen die Einwohner nach der Wende selbst wieder die Geschichte in die Hände. Eine eigene kleine Gemeindeverwaltung wurde aufgebaut. Denn in Neubeginn-Zeiten hat immer nur ehrliches Miteinander geholfen. Bürgernähe! Zusammenarbeit und Hilfe direkt! Aber alle hatten sich auch die Fragen zu beantworten:
- Welchen Platz soll unser Dorf in unserer so verehrten
- Landschaft einnehmen?
- Wie wollen wir es entwickeln?
- Wie wollen wir Einfluß auf die Erhaltung unserer
- Umgebung nehmen?
Wir wohnen in einer einmalig schönen und interessanten Gegend. Das verpflichtet!
Naturfreunde aus den alten Bundesländern sagen uns oft: Erhaltet Eure noch so ursprüngliche unverbaute Landschaft! Wiederholt nicht unsere Fehler! Seht Euch erst bei uns um, bildet Euch selbst ein Urteil!
Also wurde umgesehen und -gehört und Grundsätze formuliert:
- Die Eigenart der Sächsischen Schweiz besteht nur aus der Gesamtheit und dem Zusammenspiel der Felsformationen, Tafelberge, Ebenheiten und Tälern, den Wäldern, den Landwirtschaften und den Orten.
- Es können nicht Einzelelemente stark gefördert und andere vernachlässigt werden, ohne die Sächsische Schweiz zu schädigen.
- Alles Tun muß sich dem Erhalt unserer Lebensgrundlage - der Natur - unterordnen.
- Orte, die sich der Landschaft unterordnen müssen und wollen, können nur existieren, wenn sie durch Finanzausgleich (-Umverteilung) gestützt werden - als Perle des Landes, des Bundes und der vielen Erholungssuchenden aus den Ballungsgebieten.
Für die Gemeinde Kleinhennersdorf gibt es deshalb folgende Prinzipien:
- Nur mit allen Orten der Sächsischen Schweiz zusammen kann erhalten und sinnvoll entwickelt werden. Das hat durch das neue Naturschutzgesetz noch größere Bedeutung erlangt.
- Kleinhennersdorf soll sich, wie entstanden, auch weiterentwickeln.
- Landwirtschaft, aber nicht intensiv
- Kleinstgewerbe (einschl. solider Gastronomie)
- attraktiver Wohnort mit hohem Wohnwert attraktiver Erholungsort auch und besonders für Ältere und Kinder
- der Ort soll nicht in die Landschaft wachsen, sondern sich in sie einbetten, d. h. keine Zersiedelung, keine störende untypische Bebauung, kein Gewerbegebiet, gefühlvolle Erweiterung
- Die alten Sünden müssen nach ihrer Wichtigkeit beseitigt werden.
- Neue Sünden wollen wir vermeiden. Idealisten! Grau ist alle Theorie! Glaubwürdig ist nur, wer mit eigenem Beispiel vorangeht!
Deshalb nach zwei Jahren deutscher Einheit eine knappe Zwischenbilanz:
- Die Gemeinde baut Wanderwege aus, hat Rastplätze, Wegweiser und Sitzgruppen geschaffen. Der Status "Erholungswald" nach deutschem Waldgesetz, für die Sächsische Schweiz typisch und zweckmäßig, wird leider nicht diskutiert.
- Die Gemeinde hat ihren Wohnungsbestand verbessert, eine Wohnung neugebaut und beantragt, und bettelt um die Rückübertragung ihres nie strittigen Eigentums aus Bundesfinanzvermögen - ein irrsinniger Verwaltungsaufwand.
- Ein Festplatz mit Freisitz, und zum Kinderplanschbecken ein TÜV-geprüfter Spielplatz wurden gebaut, die Bibliothek wieder eröffnet, ein Fremdenverkehrsbüro funktioniert. Freiflächen im Ort wurden gestaltet, einwohner- und gastfreundlich.Ergebnis: Die Gästezimmer sind oft alle belegt, viele dankende Worte erreichen uns.
- Der Ort hat sich Gestaltungsgrundsätze formuliert, z. B.
- technische Anlagen (Rohrleitungen, Gasbehälter, zusätzliche Satellitenantennen usw.) sollen von öffentlichen Wegen nicht einzusehen sein;
- zum Bauen sollen ortsübliche Materialien (Sandstein, Holz usw.) zur Ansicht bevorzugt werden;
- keine kleinliche Bevormundung der noch Bauwilligen und keine Uniformierung neuer Häuser wie bisher und trotzdem keine untypische Bebauung;
- gefühlvolle, ins Ortsbild passende Werbung.
- Den Güllefluß in den Bach und den Misthaufen vor dem Bäckerladen haben die Marktwirtschaft beseitigt - die
- einen Abwasser-Zweckverband behandelt werden . . . Mangelnde Förderung, Bürokratie und Geschäftsinteressen lassen einen langen Weg ahnen. Derweile geht alles weiter in Richtung Grundwasser und Elbe.
- Neue Straßendecken und neue Wasserleitungen sind gebaut.
- Vieles Wichtige ist vorbereitet und soll im nächsten Jahr überraschen: Wanderparkplatz, Feuerwehrhaus, Dorfteichgestaltung usw.
Doch Ehre, wem Ehre gebührt!
Fördermittel, ABM, ein unvorstellbar hoher Einsatz der Gemeindeverwaltung und sehr bescheidene Einnahmen sind die Grundlagen der Erfolge.
Ein Problemkreis scheint unlösbar für den Ort und die Sächsische Schweiz: der Verkehr per Verbrennungsmotor. Daß wir ihn auf ein Mindestmaß begrenzen wollen, sagen alle - aber wie, wenn alle dagegen handeln? Es fehlt ein tragendes Verkehrskonzept!
- Durchgangsverkehr muß um die Sächsische Schweiz herum geleitet werden, großräumig! Der öffentliche Nahverkehr muß zum Benutzen verleiten, attraktiv sein und damit stark gestützt werden. Gäste müssen ihre Autos gern auf einem schönen Parkplatz stehenlassen und zu Fuß weitergehen können. Die notwendigen Fahrten der Einwohner und Gäste müssen gering gehalten werden! Eine Dienstleistung zu vielen Bürgern, und nicht viele Bürger zu einer Dienstleistung!
- * Die Sicherheit auf den landschaftsbedingt sehr schmalen Straßen muß erhöht werden. Radfahrer, Fußgänger, Alte und Kinder sollen nicht mehr flüchten müssen.
Und die Praxis? Oh je!
- Der öffentliche Nahverkehr ist teuer, fährt ungünstig und ist nicht attraktiv. Eine rühmliche Ausnahme und Vorbild gibt es: die Deutsche Reichsbahn betreibt eine preiswerte S-Bahn-Linie Meißen-Dresden-Schmilka.
- Völlig ungelöst ist der ruhende Verkehr. Wanderparkplätze sind ebenso selten wie Parkmöglichkeiten in den Orten. Sicher, am Anfang ist alles teuer, aber besser als Straßen zuparken oder Autotouristik statt Wandern. Die Gemeinde Kleinhennersdorf bemüht sich um Flächen -mit kleinen Erfolgen und ungeahnten Schwierigkeiten.
- Einwohner und Gäste des Erholungsgebietes werden gezwungen, ihre Autos häufig zu benutzen: Poststellen, Lebensmittelverkaufsstellen verschwinden. Also setzt man sich ins Auto und fährt zur nächsten Einkaufsmöglichkeit. Gemeindeangestellte und Gemeindeverwaltungen sollen eingespart werden. Also setzt man sich ins Auto und fährt wegen vieler kleiner Probleme zur nächsten Behörde.
Gemeindereform zur rechten Zeit! Wie soll die viele bürokratische Kleinarbeit erledigt werden? Wo bleiben Bürgernähe, kurze Wege, schnelle Lösungen und Vertrauen? Das Aufbautempo Ost war ebenso eine Fehleinschätzung wie das Tempo der Gemeindereformen.
- Die schmalen Straßen, in kleinen Orten ohne Fußwege und oft freundlich mit Hecken gesäumt, werden von allen Verkehrsteilnehmern gleich genutzt - Also Gleichberechtigung? Die Gemeinde Kleinhennersdorf hat sich für den Ort um "Verkehrsberuhigte Zone - Tempo 30" bemüht, um das bestehende Tempolimit 30 durchsetzbar zu machen. Gegen die Bürokratie? - Erfolglos. Ein Glück, daß wir noch verkehrsferne Wanderwege haben.
Wie kommen wir aus dem Dilemma heraus? Jetzt sparen! Aber nicht um jeden Preis und koste es, was es wolle. Unkomplizierte Regelungen, gesunder Menschenverstand und Verantwortungsbewußtsein - das ist die Lösung!
Dem Bemühen des Rates und der Gemeindeverwaltung Kleinhennersdorf zur Ortsentwicklung und-gestaltung (mit den bescheidenen Mitteln und Möglichkeiten) wird viel Anerkennung gezollt. Glücklicherweise von denen, die den Ort und die Gemarkung nutzen und besuchen.
Paul Fröhlich
Stellv. Bürgermeister
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